Darf man in einer authentischen Beziehung Strategien anwenden?
Schauen wir erstmal, was wir unter „Strategien“ verstehen: Wir bezeichnen als Strategien ganz unterschiedliche Reaktionen, sowohl offen sichtbares, auf den Partner ausgerichtetes Verhalten (z.B. eine besondere Ansprache), als auch innere Prozesse (z.B. Bewertungen von Paar-Situationen). Gemeinsam ist diesen Aktionen, dass sie bewusst und geplant eingesetzt werden, um ein definiertes Ziel zu erreichen (z.B. einen Konflikt zu verkürzen). In unserem Verständnis gehen wir davon aus, dass die angestrebten Ergebnisse dem Partner bzw. der Beziehung nicht schaden sollen (bösartige Strategien behandeln wir nicht).
Allerdings scheint es uns auch erlaubt zu sein, eigene, persönliche Ziele in der Partnerschaft auf eine „schonende“ Weise durchzusetzen, wenn dies nicht mit einem „objektiven“ Nachteil für die Interessen des Partners verbunden ist (es ist wohl klar, dass diese Grenze nicht haarscharf zu ziehen ist).
Gucken wir uns nun den hehren Anspruch der Authentizität an: Hier geht es darum, dem Anderen offen, ehrlich und unverstellt gegenüberzutreten. Ich zeige mich, wie ich bin: Ich täusche nicht, ich lüge nicht, ich verstelle mich nicht, spiele kein „Theater“.
Tatsächlich würden wir ganz klar sagen: Strategien, die auf Lug und Trug aufbauen, wären nicht nur ganz eindeutig unauthentisch, sondern insgesamt unakzeptabel. Sie wären einer Beziehung, so wie wir uns sie wünschen, nicht würdig.
Was ist mit den „Selbst-Strategien“, die wir als Bewältigungsmechanismen anwenden, um uns selbst (emotional) zu regulieren oder um unserer Neigung entgegenzuwirken, dem Anderen in Konflikten vorschnell mangelnde Motivation oder gar negative Absichten zu unterstellen?
Hier kann man wohl spontan Entwarnung geben: Warum sollte es bitte unauthentisch sein, wenn man an sicher selbst „arbeitet“, um die Wahrscheinlichkeit eigener ungünstiger Reaktionen abzubauen? Dass ich mir genau das in einer bestimmten Situation vornehme, macht mich nicht zu einem Gegenüber, der sein „wahres Ich“ versteckt. Im Gegenteil: Wenn ich mich gerade selbst „manage“, dann zeige ich mich mit diesem Verhalten gerade sehr unmittelbar und direkt (selbst wenn ich mich sonst vielleicht typischerweise anders verhalten sollte).
Könnte man diese Authentizität noch steigern? Aber sicher! Es gibt immer noch eine Stufe oder eine Ebene drüber – wir (und die meisten Fachleute) nennen sie die „Meta-Ebene“. Wenn sie den goldenen Authentizitäts-Orden mit Band wollen, dann machen Sie doch ihrem Gegenüber einfach offen, dass Sie gerade eine Selbst-Strategie anwenden – um etwas in beiderseitigem Interesse zu erreichen. Was würde mehr Anerkennung und Lob verdienen?!
Bleiben die „Fremd-Strategien“: Sie kommunizieren oder argumentieren auf eine strategisch geplante Weise, um Einfluss auf Ihren Partner/Ihre Partnerin zu nehmen – z.B. um etwas „elegant“ durchzusetzen, was üblicherweise mit anstrengenden Diskussionen oder Konflikten verbunden wäre (z.B. den Wochenendtrip mit der eigenen Clique). Hier droht der Vorwurf der „gezielten Manipulation“.
Ein Gedankenspiel: Nehmen wir einmal an, Sie wären von Natur aus (oder durch berufliches Training) ein extrem guter Kommunikator, dessen diplomatische Künste in ihrem Umfeld bekannt und bewundert würden. Wären Sie unauthentisch, wenn Sie diese Kompetenz auch in der Partnerschaft anwenden würden (auch für persönliche Ziele)? Doch wohl kaum! Man könnte Ihnen eher „Verstellung“ vorwerfen, wenn Sie so tun würden, als hätten Sie diese Fähigkeit plötzlich nicht mehr.“
Jetzt die Frage: Ist die Situation wirklich eine völlig andere, wenn ein Durchschnittsmensch sich – z.B. angeregt durch die Lektüre unseres Buches – bemüht, ein paar Elemente der „Diplomatie-Kunst“ in seine Partnerschaft einzubringen? Täusche ich mein Gegenüber, wenn ich in bestimmten Momenten meinen Autopiloten ausschalte, und mich bewusst so verhalte, wie ich es mir vorgenommen hatte?
Wir finden das eher nicht. Der Übergang von automatisierten zu bewusst geplanten Reaktionen ist kaum zu erfassen – wir alle schwanken hunderte Male am Tag zwischen diesen Modi. Dazu kommt, dass sich die Grenzen jederzeit verschieben können: Eine geplant eingesetzte Kommunikations-Strategie kann die ersten acht Mal bewusst eingesetzt worden sein, ab dem neunten Mal ist sie vielleicht schon weitgehend automatisiert.
Wo soll da die Grenze zwischen „authentisch“ und „nicht authentisch“ sein?
Zum Schluss setzen wir noch einen drauf!
Sagen Sie Ihrem Parter/Ihrer Partnerin doch einfach ganz unverblümt, dass Sie gerade eine Strategie einsetzen (oder eingesetzt) haben, um ihn von etwas zu überzeugen. Mehr Authentizität geht kaum!
(Aber wir geben zu, dass dieses Vorgehen – das wir übrigens auch als eine Strategie darstellen – nicht für jede Beziehung passt).
… stellen wir insgesamt 37 Strategien dar, die das Ziel haben, das Beziehungsleben insgesamt und Ihre persönliche Zufriedenheitsbilanz zu verbessern.
Wir teilen sie auf nach ihren Zielen und nach ihrem Angriffspunkt: Managen wir uns selbst oder richten sich unsere Strategien an den Anderen?
Zuvor findet eine Analyse Ihrer persönlichen Voraussetzungen statt, die Ihren Erfolg als Beziehungs-Manager beeinflussen können. Wir nennen dieses Gesamtpaket das „Beziehungs-ICH“. Wenn Sie also beim Strategie-Kapitel angekommen sind, dann wissen Sie bereits, wie Ihr eigenes Kompetenz-Profil so ungefähr aussieht.
So können Strategien passgenauer eingesetzt werden.
Was denken Sie über die Grenzen der Authentizität?
Haben Sie Erfahrungen mit Strategien, die sich eher als „fiese Tricks“ angefühlt haben? Waren Sie Opfer solcher Manöver?
Schreiben Sie Ihre Meinung in unser Forum (zu Band II)!